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No representation beyond this line

last modified 2005-12-08 16:16

Dem Video "Piero goes ortlos" (No Representation beyond this line")liegt das Fresko von Piero della Francesca "Die Auferstehung Christi" in Sansepolcro (heute Museo Civico, ursprünglicher Kontext: Palazzo Communale, Audientia) zugrunde. (Maße der Freskos: 225 x 200 cm) Das Fresko ist per se interaktiv durch seinen unbestimmbaren unberechenbaren Bildraum und macht uns neugierig.

Piero della Francesca schrieb 1482 ein Traktat über Perspektive, De Prospectiva Pingendi (lat:prospecitva: davor-sicht). Es basiert auf der lat. Übersetzung von EUKLID. Bei Piero ist- im Unterschied zu Albertis "fenestra aperta" (Della Pitttura 1436) besonders die Perspektive erfahrbar als eine veränderliche Kategorie menschlicher Wahrnehmung. Er entwickelt seine Bildräume aus der Planimetriem aus einer festgefügten Bildfläche heraus: d.h. er fügt im Unterschied zu Euklid, eine Projektionsebene ein: Piero geht es v.a. um die geometrische Beziehung zw. Auge, Abbildungsebene und abzubildender Fläche.

Der Fluchtpunkt ist auf der oberen Sarkophagkante, mittig anzunehmen. Wir können in den Sarkophag nicht hineinsehen, und sehen auch keine Seitenwände. Das Bild gibt jedoch dem Betrachter keinen eindeutigen Standpunkt vor: Jeder Standort des Betrachters im Realraum verändert den Bildraum. Wir können den Kreis der auf der Bodenfläche kauernden Soldaten vervollständigen und uns dem empirischen Bereich zuordnen. (Betrachter geht auf Bild zu: Untersicht stärker, Christus erscheint größer, Bodenfläche der Soldaten= Rechteck) (Betrachter entfernt sich vom Bild: Christus erscheint ferner; Bodenfläche der Soldaten= Quadrat) Christus ist nicht zu verorten.

Die Sarkophagkante drittelt das Fresko in einen empirischen und virtuellen/fiktionalen Bildraum. Durch die Fahnenstange ist eine Verbindung zw. Empirie und Fiktion gegeben, da sie vor dem Sarkophag aufsetzt.

Christus ist statisch, handlungslos; sein Antlitz ist ein authentisches, in der VeraIcon - Tradition stehend; sein Blick wird zuweilen mit dem Fluchtpunkt verwechselt. Es ist ein kalkulierter Eindruck, der den Betrachter beunruhigen soll.

Die Transformation Christi vom Tod zum ewigen Leben liegt in einem für uns nicht vorstellbaren Bereich, sie übersteigt unsere Verstandeskräfte. Wir sind hier in einem metaphysischen Bereich angelangt: Die Gestalt Christi, eine senkrechte Linie (vgl Barnett Newman's ZIPS 1950-er, USA), konfrontiert uns in ihrer Frontalität. Wir können seinem Blick nicht ausweichen, und sind aufgefordert, Stellung zu beziehen.

Christus wird zum Stellvertreter für den Menschen, und weist gleichzeitig auf seine Doppelnatur hin: die Regeln der technischen Konstruktioni der Perspektive gelten hier nicht, und nur durch die Macht unserer Einbildungskraft kann dieses Unmögliche Ereignis erklärt werden. Durch die Sarkophagkante ereignet sich ein Bruch im Bild, ein Abgrund reisst auf, der unbestimmt, offen belassen ist: hier kann sich das Ereignis als Sein "ereignen": das Bild gibt uns keine Auskunft über die räumlichen Verhältnisse des Sarkophags, (wie tief, art seiner Bodenfläche), wir werden im Ungewissen belassen, wodurch wir aber erst neugieriig werden und lustvoll nach Klarheiten, nach Verortungen suchen.. ...um -möglicherweise- nach einem Duell zwischen unserer Einbildungskraft und unserer Vernunft, -wobei es um die Darstellung des Undarstellbaren (i.e. der Auferstehung) geht- zum ästhetischen Urteil des Sublimen enthoben werden können.

Christus mit der ORTLOS-Fahne zeugt zustätzlich von der Imaginarität der oberen beiden Bilddrittel : die Flagge ist physikalische betrachtet, unmöglich derart zu halten: hinter dem Kopf. Christus mutiert zum NICHTS (bzw. zu dessen Gegenteil), zum U-TOPOS, und hisst hinter sich den Hinweis, dass hinter hinter ihm sich das ENDE dieser Ortlosigkeit befindet, wodurch neue Optionen angedeutet werden können.