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Mana mag man eben

last modified 2005-11-14 00:32

Von Johannes Grenzfurthner und Leo Findeisen

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Die Wiener Netzkultur-Community netznetz.net steht unter internationaler Beobachtung. In den letzten Wochen beschäftigten sich einige der interessantesten US-amerikanischen Blogs im Kontext von Netzavantgarde, Medienkunst und einer kritischen Theorie der digitalen Gegenwart mit dem Projekt. Warum?

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netznetz.net ist eine so genannte Wiener "meta community", bestehend aus verschiedensten Initiativen, NetzkünstlerInnen und TechnikerInnen, die sich für die Umsetzung und Sichtbarkeit einer entwicklungsfähigen "Netzkultur" in ihrer Stadt einsetzen. Nun wurde die Plattform vom Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny eingeladen, um ein neues System zur Vergabe von Fördergeldern in diesem Bereich zu entwickeln. Kann es tatsächlich sein, dass Wien die erste Stadt weltweit ist, die dieses unbekannte soziokulturelle Terrain betreten will? Anfang 2006, so ist vereinbart, soll der erste Prototyp öffentlich erprobt werden.

Krise der Netzkultur?

Mit gewisser Regelmäßigkeit wurde in den letzten Jahren die "Krise der Netzkultur" in Wien ausgerufen, ohne dass frische und gekonnte Alternativen der Selbstorganisation entstanden wären. Dann plötzlich stellten die in der Szene gut etablierten Institutionen ihre Services ein und reduzierten ihre Aktivitäten -- mit dem Verweis auf zu wenig staatliche Unterstützung. Gleichzeitig entwickelten viele AktivistInnen derselben Szene, die ohnehin schon jahrelang ohne Förderungen ihre Projekte betreiben mussten, neue Formen der Zusammenarbeit und Präsentation. So wurden die eigenen, knappen Ressourcen etwa via Mailingliste koordiniert und resultierten in einer rasch wachsenden netznetz-Bewegung.

Die gemeinsame Veranstaltung im Wiener Künstlerhaus im Herbst 2004 war für viele AktivistInnen dann die erste "gegenseitigen Ausstellung". Offensichtlich erzeugte dieser Event eine "kritische Masse", denn dann weitere Projektansätze hervorbrachten: Einer davon ist "Mana", der vieldiskutierte softwareunterstützte "Neuentwurf zur Förderung der Netzkultur".

Kollaboration statt Institution

Tatsächlich gibt also der Wiener Stadtrat nun also einen Teil der Kontrolle aus der Hand und lässt die ProduzentInnen einer Kunst- und Kulturform selbst bestimmen - ohne zentralisiertes Repräsentationsgremium. Doch skeptische Stimmen merken an: Wer kann genau vorhersagen, welche Vorteile eingespielter Regelwerke man in Zukunft kompensieren muss, wenn z.B. auf das konservative, aber bewährte Modell der "Jury aus anerkannten Fachleuten" verzichtet werden soll? Das jährliche Budget wurde auf 500.000 Euro erhöht. Eine Summe, die für die kleinen Initiativen eine wesentliche Verbesserung ihrer finanziellen Basis darstellt, jedoch auf der anderen Seite eine Summe darstellt, die nicht gleichzeitig groß genug ist um zusätzlich größere Institutionen zu fördern. So bleibt beispielsweise die Frage nach dem finanziellen Überleben der Netbase ungeklärt und kann sich nicht in der zusätzlichen Belastung der kleinteiligen Szene erschöpfen. Diese hat mit low tech, extreme connectivity, high output eine Strategie gewählt, die weniger auf institutionellen Zusammenarbeit, sondern vielmehr auf erhöhte Kollaborativität setzt. Es stellt sich also die Frage, ob angesichts der neuen Modelle mehr beinharter Neoliberalismus oder mehr konkrete Demokratisierung zu erwarten sind.

Social Software & Fördergeld

Die modulare Förderstruktur - entwickelt in zahlreichen Diskussion unter Beteiligung von mehr als 30 Gruppen - wurde dem Stadtrat von der Community präsentiert und von diesem akzeptiert. Ab 2006 werden die Hälfte der Mittel zur Förderung von Infrastruktur (Backbone Projects), Neulingen (Microgrants) und der Präsentation der Community selbst (Convention) verwendet. Diese 50% werden von der Stadtverwaltung gemeinsam mit der Community im Zuge einer Open-Space-Konferenz diskutiert und verteilt. Die andere Hälfte der Summe soll von der Community selbst über Network Grants vergeben werden. Jährlich sollen ca. 20 Gruppen und Initiativen mit Hilfe eines Social Software Tools ermittelt werden, inklusive eines Online-Reputationssystems. Die ProtagonistInnen der Netzkulturszene werden in Zukunft also mit sich selbst experimentieren, Prototypen ausprobieren, ihre Erfahrungen vermitteln und gemeinsam Antworten auf viele offene Fragen beschließen. Oder, wie das renommierte Kunstorgan rhizome.org die Situation beschreibt: "[netznetz] has convinced their local arts commission that software art should be funded the way it's made: through self-organized networks of distributed activity and collaborative effort."

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Johannes Grenzfurthner ist Künstler, Autor, Journalist, Theoretiker, Kurator und Performer in Wien. Er gründete die Kunst-, Theorie- und Bastelneigungsgruppe "monochrom".

Leo Findeisen lehrt am Ordinariat für Kulturphilosophie und Medientheorie an der Akademie der bildenden Künste in Wien und ist seit 1996 Assistent von Peter Sloterdijk.