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Kapitel 1

last modified 2005-11-02 13:04

Von Filtern und Störgeräuschen.

Arbeitsnotizen zum Film "Das Netz" von Lutz Dammbeck Walden oder Leben in den Wäldern, aus: Henry D.Thoreau, 1905

Als ich im Jahr 2001 mit der Arbeit am Film 1 begann, wollte ich den Affären nachspüren, die die moderne Kunst mit Computern und neuen Technologien in den 1960er Jahren eingegangen waren.
Begriffe wie Loop, Feedbackschleife, System, Simulation oder Kommunikation verwendeten ja nicht nur die Kybernetiker und Systemtheoretiker, sondern gehörten auch zum Programm einer in diesen Jahren revoltierenden Avantgarde, die alle Grenzen zwischen Kunst und Leben auflösen wollte: CHANGE NOW! Pop-und Op-Art, Mixed Media, Happenings, Künstler wie John Cage, Nam June Paik oder Andy Warhol, Bands wie Grateful Dead und Velvet Underground - das war ein Cocktail aus Revolte, Rock und Pop der mich faszinierte. Die Botschaft war: alles ist möglich, Realität ist beliebig veränderbar. Du bist, was du sein willst!
Bei näherer Betrachtung schien mir dieser Mix aber nur Teil eines komplexen "Meta-Systems" zu sein, das zwar Kunst und Computer mit einschloß aber noch viel mehr umfaßte.

Zunächst war ich von einer zumindest gleichberechtigten Rolle der Kunst im Verhätnis zur Wissenschaft und den neuen Technologien ausgegangen. Doch je länger ich recherchierte, desto blasser wurde das Bild von einer multimedialen Moderne mit der Aura des kritischen "Anderen"2.
Mir schien, dass die Rolle der Künstler eher die von Mitläufern gewesen war, und die eigentliche Wirkungsmacht auf Seiten der Wissenschaftlicher und Technologen gelegen hatte - und deren Auftraggebern. Kunst war nicht Störgeräusch, sondern Systemverstärker gewesen, und das lange bevor aus "der Gegenkultur die Kultur wurde"3.
So begann ich mich stärker für die Vordenker und Konstrukteure dieses wissenschaftlich-technisch basierten "Meta-Systems" zu interessieren, und für dessen Details wie Signaltechnik, Rauschunterdrückung und Psychoakustik.

Meine Recherche führte mich so zu den Anfängen der Kybernetik, der Systemtheorie, der Bionik, des parallelen Rechnens, der Neurophysiologie, der künstlichen Intelligenz, dem Bau von Computern und dem Konstruktivismus als Denktradition.
So stieß ich auch auf die legendären Macy-Konferenzen 4, an denen Elitewissenschaftler, Sciencemanager und Beamter verchiedener amerikanischer Behörden teilnahmen und die Grundrisse für eine symbolische Welt als "offenes System" entwickelten.

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1 "Das Netz.Unabomber, LSD u.Internet", Dokumentarfilm für SWR/Arte,Länge 121 min., 35 mm, Erstaufführung:17.Oktober 2003 im Wettbewerb des 46.Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar-und Animationsfilm.
2Interview mit Howard Klein am 2. März 2002 in Washington. Klein war in der Rockefeller Foundation mehrere Jahre für die Betreuung und Förderung von Nam June Paik zustä,ndig.
3 Interview mit Stewart Brand am 24.April 2002 in Sausalito, CA.
4 Siehe Claus Pias (Hg.): Cybernetics-Kybernetik.The Macy-Conferences 1946-1953.Bd.1.Transactions/Protokolle, Zürich/Berlin 2003; sowie ders.(Hg.): Cybernetics-Kybernetik. The Macy-Conferences 1946-1953.Bd.2.Essays+ Documents/Essays+Dokumente, Zürich-Berlin 2004.